Geboren wurde er am Niederrhein, gestorben ist er im westlichen Münsterland. Fast sieben Jahrzehnte seines Lebens verbrachte er in Borken, als Organist an St. Remigius, Dirigent, Musiklehrer und Musikalienhändler, kurzum, als engagierter Motor des Borkener Musiklebens während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aus seinem reichen Schaffen als Komponist sind das „Borkener Lied“ und das „Remigiuslied“ in lebendiger Erinnerung geblieben.
Josef Smets erblickte am 23. August 1877 in Elmpt am Niederrhein das Licht der Welt, als Kind einer alten Organisten- und Küsterfamilie, womit sein weiterer Lebensweg schon fast vorgezeichnet war. Ein kurzer Zeitungsartikel, den die Borkener Zeitung am 23. August 1952 anlässlich seines Geburtstages veröffentlichte, nannte wichtige Stationen seinen Leben, die von seinem Heimatort Elmpt aus bis nach Borken führten. Demnach legte er bereits im Alter von 16 Jahren in Aachen sein Organistenexamen ab, um anschließend für zehn Jahre in St. Hubert bei Krefeld einen ersten Arbeitsplatz zu finden.
Im August 1904 kam Josef Smets nach Borken, wo er als Organist an der Remigiuskirche tätig wurde; sein („erster“) Vorgesetzter war der langjährige Dechant Johannes Erpenbeck. Zu seinen Aufgaben gehörte aber auch das Ziehen von Kerzen. Anfangs wohnte er in einem Haus an der Wilbecke (Nr. 61.1, Haus Arnold van der Beck, heute Elektro Lammering), wo er noch im selben Jahr mit dem Unterricht im Klavierspielen begann.
Daneben betrieb er schon früh ein „Papier-Engros-Geschäft“, für das er erstmals im November 1904 im Wochenblatt inserierte. Er verkaufte alle gängigen Papiersorten für den privaten und geschäftlichen Gebrauch. Das Geschäft blieb erhalten, wenn auch in verkleinerter Form, als er in den Folgejahren mit seiner größer werdenden Familie zweimal umzog, von der Wilbecke an den Kuhm (Nr. 28.3, „neben dem Arbeitervereinshaus“) und von dort an die Klümperstraße (Nr. 251, Haus Pasing).
Wenige Monate, nachdem er als Organist nach Borken gekommen war, heiratete Josef Smets die aus Lüttelforst stammende Hedwig Jansen. Die standesamtliche Trauung fand am 2. Februar 1905 im Bürgermeisteramt der Gemeinde Burgwaldniel statt, zu der Smets’ Heimatort damals gehörte. Einen Tag später war die kirchliche Trauung in der St.-Jakobus-Kirche zu Lüttelforst.
Die Eheleute Smets-Jansen hatten sechs Kinder, die in Borken geboren und in der Remigiuskirche, dem „Arbeitsplatz“ des Vaters, getauft wurden: Hedwig (1906), Heinrich (1908), Wilhelm (1910), Maria (1913), Josef (1920) und Hermann (1921).
Im Dezember 1910 erschien im Wochenblatt erstmals ein Inserat, in dem Josef Smets den Verkauf von Musikinstrumenten publik machte.
Das war der Anfang seines mehr als 30-jährigen Engagements, über ein Instrument und Noten Musik zu den Menschen oder Menschen zur Musik zu bringen. Ähnliche Inserate folgten danach immer wieder, besonders in der Vorweihnachtszeit, denn dann war das Geschäft offensichtlich besonders lukrativ. Die Inserate zeigen die Vielfalt des Angebotes, die Smets in seiner „Musik- und Instrumentenhandlung“ über Jahre hinweg zu bieten hatte. Erstaunlich waren die Preise, zu denen er seine Artikel zeitweise anbot. Und mit Grammophon, „Sprechapparat“ und Schallplatten war er „auf der Höhe der Zeit“.
Im Sommer 1913 verlegte Josef Smets seine Wohnung einschließlich der Musikalienhandlung in einen Neubau an der Ecke Wilbecke/Blumenstraße, jedoch nicht, ohne dies in der Borkener Zeitung publik zu machen.
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Gleichzeitig übernahm er die Alleinvertretung der „Hofpianofortefabrik“ Knake in Münster für den Raum Borken-Bocholt, die auch die Vermittlung eines Klavierstimmers einschloss.
Smets wird Dirigent des Männergesangvereins (MGV)
Josef Smets war gerade mal zwei Jahre in Borken, da wurde ihm vom Männergesangverein (MGV) das Amt des Dirigenten übertragen, das er anschließend mehr als zwei Jahrzehnte innehatte, „gestützt auf vorzügliche musikalische Fähigkeiten“, wie die Borkener Zeitung anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Chores 1935 schrieb. Unterbrochen wurde die Tätigkeit durch die Kriegsjahre, während derer Smets als Soldat in Frankreich und Belgien war.
Die Borkener Zeitung verstand es, in zahlreichen Berichten über Konzerte des MGV – später auch der Sängervereinigung (gegr. 1925) und des „Cäcilienvereins“ (Kirchenchor) – die Fähigkeiten Josef Smets’ und seiner Sänger zu würdigen.
Selbst Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, warb Smets im Dezember 1914 per Inserat für eine Mundharmonika, die „versandfertig mit vorgedruckter Adresse“ zum Preis von einer Mark zu haben war und per Feldpostbrief an die Front geschickt werden konnte. Der 1919 neu gegründeten „Rehmann’schen Kapelle“ verschaffte das Musikhaus Smets das erforderliche Notenmaterial. Ob von dort auch die Musikinstrumente stammten, die für sechs Zentner Kartoffeln eingehandelt wurden, ist nicht belegbar.
In seiner Eigenschaft als Organist an St. Remigius war Josef Smets dem „gemischten Cäcilienchor“ (Kirchenchor), dessen Mitbegründer er gewesen war, und seinem jeweiligen Dirigenten in besonderer Weise verbunden. Ein Glücksfall für die Gemeinde und die Borkener Kirchenmusik.
In den Berichten der Zeitung war immer wieder davon die Rede, dass Kompositionen von Josef Smets zur Aufführung gelangt seien, zu religiösen wie auch zu weltlichen Anlässen. Für das Patronatsfest, das noch heute am 1. Oktober gefeiert wird, habe in den 1920er Jahren ein geeignetes Remigiuslied gefehlt, schrieb 1983 Walter Denker. Das alte Lied „Zu Dir wend ich mein Gebet, das um Deine Hülfe fleht“ sei zwar „allgemein bekannt, aber nicht mehr zeitgemäß und im übrigen auch mit allen anderen Heiligennamen auswechselbar gewesen“. Daher habe Dechant Josef Sievert, der seit 1927 vor Ort wirkte, den Organisten Smets mit der Vertonung eines geeigneten Textes beauftragt. Dieser holte seine Untermieterin Maria Stadtmann, Lehrerin an der Borkener Volksschule „mit ins Boot“. Während sie „nach mehreren Vorbesprechungen“ den Text verfasste, „begab sich Josef Smets ans Ausprobieren und Komponieren“, so Denker. Am Ende standen vier verschiedene Melodien zur Auswahl, von denen die in F-Dur das Votum der eigens hinzugezogenen Fachleute erhielt.
Rechtzeitig vor dem Patronatsfest 1929 war das Werk, das aus fünf Strophen besteht, vollendet, so dass es am ersten Oktobersonntag der Gemeinde präsentiert werden konnte. Vorab waren die Männerbruderschaft samt Familienangehörigen und die Jünglingssodalität eingeladen, Text und Melodie einzuüben. Nachdem das Lied in der traditionellen Schlussandacht erstmals erklungen war und allgemein Gefallen gefunden hatte, vertraute man darauf, dass es über die Schulen, „die sich in den letzten Wochen mit seiner formgemäßen und musikalischen Einführung befaßten“, schnell seine Verbreitung finden werde.
Dass Maria Stadtmann acht Jahre später seine Tante werden würde, ahnte Josef Smets zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Im April 1934 nämlich traf ihn und seine Familie ein tragisches Schicksal. Hedwig Smets, geb. Jansen, Ehefrau und Mutter von sechs Kindern, starb im Alter von 55 Jahren, nach langem Leiden, wie es in der Todesanzeige hieß. Die damals übliche Aufzählung von Ortsnamen spiegelt die Verwurzelung der Eheleute Smets-Jansen im Rheinland wider.
Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau heiratete der Witwer ein zweites Mal: die Nichte von Maria Stadtmann. Johanna Theodora Stadtmann, aus Neubeckum gebürtig, die seit 1931 unter dem Namen „Schwester Josephinis“ Novizin im Kloster der Schwestern von der göttlichen Vorsehung („Friederichsburg“) zu Münster gewesen war. Nachdem sie wegen einer Tuberkulose-Erkrankung ihre Ewigen Gelübde nicht hatte ablegen können, trat sie schon 1932 aus dem Orden aus. Zur Erholung wohnte sie längere Zeit bei ihrer Tante in Borken. Maria Smets, die jüngere Tochter von Josef Smets, freundete sich mit ihr an und machte sie näher bekannt mit ihrem Vater. Der Witwer Smets und die deutlich jüngere Johanna Stadtmann verliebten sich, so der Enkel Ulrich Smets, und heirateten im Oktober 1937. In den folgenden Jahren wurden vier Kinder geboren: Rudolf (1938), Reinhard (1939), Anna Sofia (1940) und Norbert (1943).
Schon früh (1904) hatte Josef Smets als Musiklehrer mit dem Unterricht in „Klavier- und Harmonielehre“ begonnen. Dass er ihn auch weiterhin anbot und auf andere Tasteninstrumente erweiterte, belegen Inserate in der Borkener Zeitung aus den folgenden Jahrzehnten. Ursula Brebaum erinnert sich an den Klavierunterricht, für den der „Lehrer“ in ihr Elternhaus gekommen sei. Spätere Würdigungen versäumten nicht, Josef Smets’ Sorge um die Nachwuchsförderung zu beschreiben. So hieß es anlässlich der Vollendung des 90. Lebensjahres in der Borkener Zeitung vom 23. August 1967, er dürfe „als Verdienst für sich in Anspruch nehmen, zahlreichen jungen Leuten das Wissen vermittelt zu haben, das sie befähigt habe, als Dirigenten Chöre zu führen oder nebenamtlich oder hauptberuflich als Organisten tätig zu sein“. Einer von ihnen war Clemens Goeke, der schon früh Orgelunterricht im Hause Smets nahm, und dabei, so erzählte er einem Redakteur der Borkener Zeitung im Jahr 1997, „sein Lebensglück gefunden“ zu haben, seine spätere Frau Agnes Wolters, die ebenfalls Unterricht im Orgelspielen genommen habe. Clemens Goeke verschrieb sich der „Königin der Instrumente“ und lernte das Orgelspiel „bis zur Perfektion“, wie ihm die „Bischöfliche Prüfungskommission für Kirchenmusiker“ später bescheinigte.
Wie viele andere Familien traf der Zweite Weltkrieg auch die Familie Smets und deren Existenz. Das Haus an der Ecke Wilbecke/Blumenstraße wurde bei den Bombenangriffen zerstört, konnte aber wie das Nachbarhaus Bossmann schon bald wieder aufgebaut werden, allerdings nicht dreistöckig. Verloren gingen der gesamte Bestand des Musikalienhandels und fast alle Kompositionen aus dem reichen Schaffen von Josef Smets. Da dieser die Instrumente, so der Enkel Ulrich Smets, in Kommission übernommen habe, sei der (finanzielle) Schaden immens gewesen. Sein Großvater habe das Geschäft nie wieder eröffnet.
Josef Smets trat auch bei weltlichen Veranstaltungen aktiv in Erscheinung, als Dirigent, Komponist und vortragender Künstler am Klavier. Sein eigentlicher Arbeitsplatz jedoch war die „Orgelbühne“ in St. Remigius, die sich – sozusagen in der zweiten Etage – an die Wand zwischen Kirchenschiff und Turm „lehnte“. Von dort hatte er den Blick auf das liturgische Geschehen im Chorraum. Von dort aus erlebte und begleitete er während seiner fast 50-jährigen Tätigkeit als Organist zahlreiche kirchliche Höhepunkte, zu denen dreimal die Einführung eines neuen „Dienstherrn“ gehörte. Allerdings trat er eher als brillanter Organist in Erscheinung denn als Dirigent des Cäcilienchores, da meistens aktive Kanoniker diese Funktion innehatten (Schwalvenberg, Hennecke, Bergmannshoff).
Wie das oben beschriebene „Remigiuslied“ im kirchlichen Raum Tradition wurde und bei feierlichen Anlässen noch heute gesungen wird, so entwickelte sich das „Borkener Lied“, das Josef Smets zu einem in Plattdeutsch verfassten Text von Ludwig Walters schrieb, zu einem festen Bestandteil im Borkener Vereinsleben. Zumindest zu Zeiten des darin besungenen Lokalpatriotismus.
Das Lied muss nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sein, hatte aber Probleme, sich zu etablieren. Versuche des Heimatvereins, Text und Melodie bei seinen Veranstaltungen „unters Volks“ zu bringen, scheiterten anfangs am Willen (oder Können?) der Mitsingenden. Ein Anlass für die Borkener Zeitung, dies anzumahnen, indem sie schrieb, dass „die Borkener ihr Lied nur sehr mangelhaft beherrschten“, weshalb der Heimatverein für Abhilfe sorgen müsse. Und die bestand in einem postkartengroßen Druck des Liedes, sodass zukünftig „vom Blatt“ gesungen werden konnte.
Über den Abschied aus dem Organistendienst im April 1954, der für Josef Smets wenige Monate vor seinem 50-jährigen Dienstjubiläum völlig unerwartet kam, berichtete die Borkener Zeitung lediglich in einem äußerst kurz gehaltenen Artikel („Josef Smets ging“). Die Hintergründe jedoch, die noch heute in der Familie präsent sind, kamen darin nicht zur Sprache. Im Zusammenhang mit seinem Geburtstag am 23. August 1954 wurde die Zeitung schon etwas deutlicher, indem sie schrieb, dass Josef Smets „in den Ruhestand versetzt“ worden sei. Der plötzliche Abschied aus dem geliebten Amt hing ihm lange nach; gleichwohl spielte er noch viele Jahre lang – wenn auch nur als „Aushilfe“ – die Orgel in St. Remigius.
Und auch darüber hinaus ließ die Musik Josef Smets nach seinem Ausscheiden aus dem Organistendienst nicht los. Zur Freude des damaligen Pfarrers Ludwig Kemper stellte er sich „trotz seines hohen Alters von 83 Jahren“ als Leiter des Angang 1960 gegründeten Chores der jungen Gemeinde St. Josef zur Verfügung. Dessen Chronik weiß zu berichten, dass der erste Auftritt schon am Dreikönigstag desselben Jahres stattfand. Eine beachtliche Leistung vom Dirigenten und den zunächst nur wenigen interessierten Sängerinnen und Sängern.
Josef Smets starb am 7. Mai 1970. Er wurde auf dem Borkener Friedhof neben seiner ersten Frau Hedwig geb. Jansen, die 36 Jahre vor ihm gestorben war, beigesetzt. Seine zweite Frau, Johanna geb. Stadtmann, starb 32 Jahre nach ihm. Auch sie fand ihre letzte Ruhe in der Familiengruft unweit des großen Brunnens in der Mitte des Friedhofs.
Rudolf Koormann, September 2023
Das Borkener Lied
Text: Ludwig Walters
Melodie: Josef Smets
Aus: Et giw mehr een Borken. Naohlaot up Platt un Hochdüts van Prof. Dr. Ludewig Walters. Gaddert un in Utwahl tesamenstellt dör’n Borksken Heimatverein. Borken 1969, S. 11.