I. Rückblick
Im frühen 19. Jahrhundert hatte die Stadt Borken begonnen, das ehemalige Kapuzinerkloster als Domizil für die Volksschule zu nutzen, zunächst einzelne Räume, im Laufe der Zeit das gesamte Gebäude. Infolge stetig wachsender Schülerzahlen waren erhebliche Um- und Erweiterungsbauten erforderlich gewesen: 1884 und 1885 die Aufstockung des bis dahin ebenerdigen Klostergebäudes sowie 1904 der Anbau von vier Räumen für die Mädchenschule.1932 musste man sogar zwei Klassen in ein Gebäude des Gaswerks nordöstlich der Aa auslagern.
Erst 1937 ergab sich durch den Bau der Paulskampschule (heute Johann-Walling-Schule) als neue „Knabenschule“ eine räumliche Entlastung. Die Auflösung der Konfessionsschulen im Jahr 1939 und ihre Zusammenlegung zu Gemeinschafts- schulen führte die Mädchen und Jungen aus der einklassigen evangelischen Volksschule an der Nordstraße, heute Butenwall, den (ehemaligen katholischen) Volksschulen an der Kapuzinergasse und am Paulskamp zu. Durch die Bombenangriffe im März 1945 veränderte sich die Situation – organisatorisch wie räumlich. Die im Kapuzinerkloster verbliebene Mädchenschule und die ehemalige evangelische Schule wurden völlig zerstört, einschließlich sämtlicher Schulakten.
II. Entwicklung in der Nachkriegszeit
Mit dem Kriegsende hörten die erst sechs Jahre alten Gemeinschaftsschulen auf zu bestehen. Sie wurden aber als „Simultanschulen“ weitergeführt, bis eine von der Militärregierung angeordnete Abstimmung 1946 eine Mehrheit für die Schaffung von Konfessionsschulen ergab.
Für die evangelischen Kinder mussten Ausweichquartiere in der Landwirtschaftsschule und später im Gymnasium genutzt werden. Erst 1949 zeichnete sich der Bau einer neuen, nunmehr zweiklassigen Schule ab. Sie wurde innerhalb eines Jahres errichtet und im September 1950 bezogen.
Für alle katholischen VolksschülerInnen war nach dem Krieg Unterricht nur möglich in den sechs Räumen der Paulskampschule nebst Notquartieren in Baracken, Fluren oder Kellerräumen sowie in Ausweichquartieren des Gymnasiums und der Berufsschule. Für 1.300 Mädchen und Jungen aus ganz Borken standen nur zwölf Klassenräume zur Verfügung, so dass in Schichten unterrichtet werden musste. Die räumliche Situation war unhaltbar geworden.
Bezüglich des Baus einer zweiten katholischen Volksschule stellte sich spätestens 1949 in Rat und Verwaltung die Frage: „Wo soll die neue Schule hin?“ Im Gespräch waren „ein Platz hinter dem Friedhof auf den sogenannten Hawerkämpen“ und „ein Gelände in der Gegend des Dülmener Weges“ bzw. der Heidener Straße. Die Entscheidung fiel zu Gunsten der Hawerkämpe, wo sich bis dahin fast ausschließlich Ackerflächen erstreckten. Doch setzte nach 1950 entlang der Hawerkämpe, der Flüt, des Uhlenspiegels, des Franz-Hitze-Weges und der Böckmannstraße eine intensive Bebauung ein, die den Bau einer Volksschule nahelegte. Und die kam für die in die neuen Häuser ziehenden – z.T. kinderreichen – Familien gerade recht.
Ein erster Plan der Architekten Kampshoff und Langenbrinck sah 16 Klassenräume vor, alternativ nur acht und acht weitere für eine noch zu bauende Schule an der Heidener Straße. Für die „Südschule“, so der anfängliche Name, wurden es in der Tat acht Klassen. Für deren Bau konnte im Februar 1950 der Grundstein gelegt werden, und schon im Juli desselben Jahres feierte man das Richtfest. Die erforderlichen Arbeiten wurden ausschließlich an Borkener Firmen vergeben. Es sollte aber noch länger als eineinhalb Jahre dauern, bis der Unterricht in den neuen Räumen aufgenommen werden konnte.
III. Entscheidungen
Im März 1952 fielen für beide Volksschulen vier wichtige Entscheidungen:
1. Während zuvor Jungen und Mädchen in zwei nach Geschlechtern getrennten Systemen gelernt hatten, begann für beide Volksschulen die Koedukation, d.h. Mädchen und Jungen besuchten ein- und dieselbe Schule, auch wenn sie schulintern ab der fünften Klasse getrennt unterrichtet wurden.
2. Zwischen den Volksschulen wurde eine „Grenze“ gezogen, die über die Bocholter Straße, die Brinkstraße. die Heilig-Geist-Straße, die Goldstraße, den Kornmarkt und die Butenstadt zur Heidener Straße lief. Damit war eine „Schulbezirksgrenze“ geschaffen, die lange ihre Gültigkeit haben sollte. In welche Volksschule sie nun zu gehen hatten, erfuhren die Mädchen und Jungen vor den Osterferien; zudem informierte die Borkener Zeitung die Eltern über die Bildung der beiden Schulbezirke.
3. Alois Sahlmann, der Rektor der bisherigen „Knaben“-Volksschule, übernahm die Leitung der Paulskampschule, während Paula Schwartze, langjährige Leiterin der Höheren Mädchenschule und ab 1933 der Mädchen-Volksschule, Rektorin der neuen „Südschule“ wurde.
4. Beide Schulen erhielten einen Namen: die Paulskampschule hieß nun „Johann-Walling-Schule“, benannt nach dem ersten Borkener Dechanten, und der „Südschule“ gab man als „St. Remigius-Schule“ den Namen des Pfarrpatrons. In beiden Fällen drückte der Name den Charakter der Schule als „katholische Volksschule“ aus. Und schon damals stand fest, dass eine noch zu bauende dritte Volksschule im Bereich Heidener Straße/Dülmener Weg den Namen „Josefschule“ erhalten sollte, in Erinnerung an den 1952 verstorbenen Propst Josef Sievert. Bis zu ihrer Fertigstellung und Einweihung sollten aber noch sechs Jahre vergehen.
IV. Eine neue Zeit beginnt
Am 17. April 1952 begann in der Remigiusschule für 534 Mädchen und Jungen der Unterricht; sie wurden in elf Klassen von zwölf Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Nach kurzer Eingewöhnungszeit konnten die Räume am 7. Mai eingeweiht und der Schlüssel symbolisch an die Schulleiterin übergeben werden. Mit den Worten „Licht, Helligkeit und Freude“ beschrieb der zuständige Schulrat Lüling während der Einweihungsfeier seinen ersten Eindruck vom Neubau. Zugleich aber betonte er, seien die nunmehr vorhandenen 14 Räume in beiden (katholischen) Volksschulen noch zu wenig; man brauche 23 bis 26 und einen Raum in der evangelischen Schule. Damit war für die Stadt Borken das Schulbauprogramm der folgenden Jahre vorgezeichnet.
Paula Schwartze übte ihr Amt nur ein Jahr lang aus. Nachdem sie im April 1953 das Alter von 65 Jahren erreicht hatte, wurde sie im darauffolgenden Monat pensioniert, nach mehr als 40-jähriger Tätigkeit in Borken. Ihr Nachfolger wurde August Heselhaus.
Rudolf Koormann, im Mai 2022
Luftbild 1954 / Unsere Heimat im Luftbild, S. 69.
Die Remigiusschule von Westen