Hausbau vor 100 Jahren
Das Beispiel Smets
Das Beispiel Smets
Josef Smets findet ein unbebautes Grundstück
Im Jahr 1906 war das Grundstück „Flur IV, Nr. 107“, gelegen an der Wilbecke, zwischen den Einmündungen von Blumenstraße und Schildergasse, noch im Eigentum des Apothekers Max Brinkman und unbebaut. Stadtbaumeister Perle unterzeichnete damals einen Fluchtlinienplan, der ein Jahr später vom Magistrat „festgestellt“ und von der Stadtverordnetenversammlung genehmigt wurde. Fluchtlinienpläne gab es für fast alle Straßen in der Stadt. Sie legten den künftigen Verlauf von Häuserfronten und Straßen fest. Damit wollte man Unregelmäßigkeiten in der Straßenbreite beheben.
Als Josef Smets 1912/1913 sein Haus baute, stellten die Handwerker beim Ausschachten fest, dass die „Wilde Becke“, nach der die Straße den Namen „Wilbecke“ erhalten hatte, im Untergrund ihre Spuren hinterlassen hatte: wasserübersättigte Fließ- oder Schwemmsande, die den Neubau in seiner Standfestigkeit bedrohten bzw. eine Spezialbehandlung der Kellerwände gegen das Eindringen von Feuchtigkeit erforderten. Letzteres wurde verhindert, indem italienische Feinputzer einen Spezialputz auftrugen. So weit die Erzähltradition in der Familie. Und dass der Putz seinen „Dienst“ noch heute tut, weiß Ulrich Smets, ein Enkel von Josef Smets, zu schätzen.
Das Haus entstand als Doppelhaus; erst später kam eine Hälfte an die Familie Bossmann. Beide Haushälften waren ursprünglich dreistöckig. Nachdem das Haus im Krieg zerstört worden war, durfte es aber nur zweistöckig wieder aufgebaut werden. Als Besonderheit war 1912/13 ein Innenhof mit Balkon geplant, von dem aus die Remigiuskirche zu sehen sein sollte. Den Plan jedoch lehnte die damalige städtische Baubehörde ab. Es bedurfte einer „Königlich-Preußischen Dispenz“ aus Münster, um ihn zu verwirklichen.
Im Februar 1914 befasste sich die Stadtverordnetenversammlung mit einem Problem, das sich bei städtischen Baumaßnahmen in unmittelbarer Nähe zu Smets‘ Wohnhaus ergeben hatte. Es war eine kleine Fläche („Abspliss“) vom Smets‘ schen Grundstück der Wilbecke und der Blumenstraße zugeschlagen worden, für deren Verlust eine Entschädigung von 28 Mark pro Quadratmeter bewilligt wurde. Die für die Anlage eines Bürgersteiges erforderlichen Bordsteine beschaffte die Stadt auf eigene Rechnung, während Smets „die Bürgersteige auf seine Kosten mit Platten zu belegen hatte“.
Rudolf Koormann (September 2023)
Fluchtlinienplan
Quelle: Stadtarchiv Borken