Vor 90 Jahren:
Wer vom Jugendferienwerk auf der Nordseeinsel Ameland spricht oder schreibt, kommt nicht umhin, auch Edmund Janssen zu nennen, den katholischen Geistlichen, der 1921 die erste Fahrt auf die Insel organisierte, nachdem er Jahre vorher selbst von deren Flair erfasst worden war.
Abb. 1: Edmund Janssen (um 1911)1
Edmund Janssen kam am 30. November 1886 in Kevelaer zur Welt. 20 Jahre später hatte er die erste Begegnung mit Ameland, und die war seiner Neugier zu verdanken, hatte er doch auf einer Karte eine Landverbindung zwischen dem Festland und der Insel entdeckt. Als er vor Ort, d.h. in Holwerd, auf dem Festland, eintraf, musste er feststellen, dass die Landverbindung – ein aufgeschütteter Damm – nicht mehr vorhanden war. Dem hatten nämlich Wind und Wasser so arg zugesetzt, dass ein von den Niederländern beabsichtigtes Projekt zur Neulandgewinnung im Wattenmeer zu den Akten gelegt werden musste. Bei Ebbe aber war der Damm noch sicht- und begehbar.
Aber Edmund Janssen wagte den Weg „nach drüben“. Das war der Beginn einer einmaligen und lebenslangen Freundschaft zwischen dem damals fast 20-jährigen Gymnasialschüler und der Insel samt ihren Bewohnern. Vier Jahre später, noch während seines Theologiestudiums, begleitete er die erste Reisegruppe nach Ameland. Die Verständigung vor Ort war kein Problem, da er inzwischen Niederländisch sprechen konnte.
Nach der Priesterweihe am 1. April 1911 führte Janssens Weg über Seelsorgestellen in Burgwaldniel und Haus Aspel bei Rees 1920 an das Lyzeum in Kleve, wo der inzwischen 34-Jährige als Studienrat unterrichtete. Nachdem er schon 1919 unterernährte Kinder zur Erholung bei befreundeten Familien auf der Insel untergebracht hatte, begann er zwei Jahre später, dort eine Jugendfreizeit zu organisieren und zu begleiten. Mit dem Kapitänspatent ausgestattet, steuerte er selbst das Motorschiff von Kleve aus über den Spoy-Kanal, den Rhein und die Issel bis zur Zwischenstation im niederländische Kampen, dann weiter durch die Zuider See bis zum eigentlichen Reiseziel.
Die jährliche Freizeit hatte auch noch Bestand, als Janssen sieben Jahre später, 1928, zum Kanonikus an St. Remigius in Borken ernannt wurde. Kurzerhand füllte er die Klever Gruppe erstmals im Sommer 1929 mit Borkener Jungen auf. So begann in Borken eine Ameland-Begeisterung, die bis heute angehalten hat.
Nicht viele Eltern konnten damals ihren Kindern den vierwöchigen Aufenthalt auf der Insel finanzieren, aber alle, die an der Fahrt teilnehmen durften, waren begeistert. Begeistert war auch die Borkener Zeitung, die von der Abfahrt bis zur Rückkehr ausgiebig berichtete und so den Grund legte für das Interesse im darauf folgenden Jahr. Helmut Müller, Sohn des damaligen Bürgermeisters Leo Müller und später Chefreporter der Westfälischen Nachrichten, erinnerte sich Jahrzehnte später in seinen Kindheitserinnerungen („Wienändken“) mit Wonne an die erlebnisreichen Wochen, auch wenn er aus der zeitlichen Distanz heraus und in sprachlich lockerer Art manches überspitzt dargestellt hat.
Wie vorher schon in Kleve wurde die Amelandfahrt auch in Borken zu einer festen Einrichtung – auch in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft.
Abb. 2: Borkener Zeitung, 24.6.1955
Auf der Internetseite „Kevelaerer Enzyklopädie“ heißt es über Janssen unter anderem: „1936 wird er Pfarrer, und zwar der Grenzgemeinde St. Pankratius in Anholt. Zu den Niederländern in der Nachbarschaft unterhält der Ameland-Freund herzliche Beziehungen. Er beherrscht die niederländische Sprache perfekt und unterhält freundschaftliche Kontakte auch zu Erzbischof de Jong in Utrecht, einem geborenen Ameländer.“ Dieser verlieh ihm später den Titel eines „Pastors von Ameland“ in Nes. Dort nannte man ihn Heröhme.
Janssen ist einer, dem die Holländer vertrauen, und er erfährt früh von Verfolgungen im Nachbarland. Der Anholter Pfarrer lässt etliche Niederländer, die bedroht werden, über die Grenze kommen und in Bauernschaften seiner deutschen Gemeinde untertauchen. Einige von ihnen leben hier in Deutschland über Jahre unentdeckt, während sie in ihrem Heimatland Holland gesucht werden. Für andere geht der Weg umgekehrt: Edmund Janssen verhilft Juden, KZ-Flüchtlingen und anderen bedrohten Menschen zur Flucht über die nahe Grenze in die Niederlande.“
Die „Kevelaerer Enyklopädie“ geht auch auf Janssens couragierte Auseinandersetzung mit den Mächtigen des Nationalsozialismus ein: „Der Pfarrer ist ein Vertrauter des Münsteraner Bischofs Clemens August von Galen und wird vom Bischof etliche Male in geheimer Mission nach Berlin gesandt […]. Er trifft während des Krieges einmal sogar auf Ameland mit Himmler zusammen. Dabei gelingt es dem Geistlichen, Himmler von seinem Vorhaben abzubringen, die gesamte Inselbevölkerung zu evakuieren und die männlichen Einwohner zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu verschleppen.“ So verwundert das überlieferte Zitat des „Reichsführers SS“ Heinrich Himmler nicht: „Sie sind ein frecher Hund.“2
Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat Edmund Janssen die „Schlacht um Anholt“ und die Zerstörung des Ortes und seiner Pfarrkirche tief betroffen miterlebt.
1953 begann Janssen wieder mit „seinen“ Amelandfahrten. Am 17. August waren 63 Teilnehmer im Borkener Ferienlager. Im selben Jahr wurde auch der „Ameland-Verein Kleve e.V.“ gegründet.
Abb. 3: Borkener Zeitung, 2.8.1956: Das Foto zeigt eine Gruppe der Borkener Pfarrjugend vor der Abfahrt mit dem Reisebus.
Auch von Heiden aus starteten die ersten Gruppen auf die Insel, betreut vom ersten Vorsitzenden der Turngemeinde Heiden, Lehrer Bert Sniers, und Walter Bernard („Bramgaulager“). 1957 fuhr unter der Leitung von Kanonikus Ludwig Große Perdekamp erstmals wieder eine Jungengruppe von St. Remigius nach Ameland.
Im März desselben Jahres war Edmund Janssen in Anholt gestorben.
Ein Nachruf in der Borkener Zeitung würdigte Edmund Janssens Lebenswerk: „Unvergessen machte sich der Verstorbene in Borken auch durch die von ihm ins Leben gerufenen Jugendferienlager in Ameland, durch die er weithin bekannt wurde. Mancher der damaligen Teilnehmer wird sich noch gerne der Schiffsfahrt nach und von Ameland und der schönen Ferientage auf der holländischen Insel erinnern und dabei unwillkürlich an seinen Kanonikus Janssen denken, der immer, soweit es ging, selbst dabei war und mit der Jugend jung sein konnte.“3
Rudolf Koormann (2019)
1 Quelle: Website des Ameland-Vereins Kleve e.V., URL: http://www.poortvankleef.de/der-vorstand/vereinsgeschichte/. – (C) Poort van Kleef Ameland Verein Kleve e.V.
2 Vgl. den Art. „Janssen, Edmund“ in der „Kevelaerer Enzyklopädie“ von Martin Willing und Delia Evers. URL: http://www.blattus.de/kaz/texte/j_kaz/janssen-edmund.html [abgerufen am 10.8.2019].
3 Borkener Zeitung, 14.3.1957.
Foto: Borkener Zeitung
Auf Ameland. (Foto: Privat)
Aus Heinz Emings „Schatzkiste“
Bilck aufs Lager der kath. Pfarrjugend St. Remigius
Ohne Küchendienst kein Mittagessen …
Ob es wie bei Mama geschmeckt hat? Hunger hatten sie jedenfalls alle.
(Fotos aus den 1960er Jahren)