Zwischen Fahnenträger, Kapelle und Sarkophag
Stätten des Gefallenen-Gedenkens in Borken
Stätten des Gefallenen-Gedenkens in Borken
Nach einer Jahre dauernden Diskussion über das Wie und das Wo einer Gedenkstätte für die Gefallenen der sogenannten Deutschen Einigungskriege (1864, 1866 und 1870/71) wurde am 9. Oktober 1898 auf dem damaligen Marktplatz feierlich ein „Kriegerdenkmal“ enthüllt.
Es stammte aus der Werkstatt des Berliner Bildhauers Arnold Künne (1866-1942), der zwei Monate zuvor ein fast identisches, um einen Zentimeter höheres Denkmal für die Stadt Halle in Westfalen geschaffen hatte.
Wie das Denkmal in Halle stand auch das in Borken auf einem Granitsockel; beide stellten einen stürmenden Krieger mit Säbel und Fahne dar, zu dessen Füßen ein zerstörtes französisches Salvengeschütz lag; siegesbewusst hatte er seinen linken Fuß daraufgestellt.
Mit der Aufstellung und der Enthüllung des Denkmals ging ein Wunsch des Borkener Kriegervereins in Erfüllung, der die 25-Jahr-Feier des Sieges über Frankreich drei Jahre zuvor noch ohne sichtbares Zeichen der Erinnerung hatte begehen müssen. Fragen der Finanzierung, der Gestaltung und des Standortes hatten die Realisierung verhindert.
Zwölf Jahre lang stand das „Kriegerdenkmal“ in der Mitte des Marktplatzes und war Mittelpunkt verschiedener Feiern, zudem – unweigerlich – ein beliebtes Motiv für Ansichtskarten.
Nach der mutwilligen Niederlegung des historischen Rathauses im Jahr 1910 jedoch wurde es im Zuge der Neugestaltung der freigewordenen Fläche in die südöstliche Ecke des Marktplatzes gerückt. Dort stand es bis zu seiner Zerstörung im März 1945.
„… das Kriegerdenkmal ist still in die südliche Ecke vor die Töchterschule geschoben worden.“ (Borkener Wochenblatt, 21.12.1911)
(Bild: Sammlung Ewald Grewing)
Wären die Pläne für eine Erinnerungsstätte zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkrieges vom Jahresanfang 1926 Wirklichkeit geworden, hätte das Denkmal von 1898 in der Gestalt eines Rolands ein Pendant an der gegenüberliegenden nordwestlichen Ecke des Marktplatzes erhalten.
Wieder war es der Kriegerverein, der im Vorfeld der 700-Jahr-Feier im September 1926 den Wunsch zu einem neuen „Kriegerdenkmal“ geäußert hatte. Im damaligen Bürgermeister Leo Müller, aber auch im Heimat- und Altertumsverein fand er Unterstützung. Erste Pläne für die Aufstellung von Namenstafeln auf dem neu geschaffenen „Heidehügel“ im Stadtpark; jedoch verwarf man ebenso wie den Roland auf dem Marktplatz. Beide Vorschläge fanden in der Bevölkerung entweder keinen Anklang oder ernteten sogar Hohn und Spott.
So kam es kurzfristig zur Gestaltung eines Steinblocks, der seinen Platz nördlich jenes „Heidehügels“ fand und an einen Sarkophag erinnern sollte. Die an den Schmalseiten angebrachten steinernen Soldatenköpfe stammten aus der Werkstatt von Albert Mazzotti (1882-1951), der Entwurf des Ehrenmals insgesamt von Wilhelm Wucherpfennig (1894-1970). Von ihnen stammte schon der Entwurf der Rolandfigur.
Für den Aufbau des Steinblocks sowie die Eingravierung eines umlaufenden Gedenkspruchs und der Namen von 176 Gefallenen zeichnete der Borkener Steinmetzbetrieb Josef Sondermann verantwortlich. Die Einweihung des Denkmals war einer der Höhepunkte der Jubiläumsfeiern und fand am Sonntag, dem 12. September 1926 unter großer Beteiligung seitens der Bevölkerung statt. Dass sich dabei auch der Kriegerverein einschließlich seiner ältesten Mitglieder einbrachte, spricht für sich.
Alljährlich stand das neue „Kriegerdenkmal“ nun im Mittelpunkt der örtlichen Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages, der während der Weimarer Republik am zweiten Fastensonntag („Reminiscere“) begangen wurde.
Bei den zwei Erinnerungsstätten jedoch sollte es nicht bleiben. Im November 1931 wurden in der sogenannten Ölbergskapelle an der Südwestecke des Kirchturms – ihren Namen trug sie wegen der steinernen Darstellung „Jesus am Ölberg“ – Tafeln mit den Namen von Gefallenen des Ersten Weltkrieges angebracht. Dechant Joseph Sievert segnete die Kapelle als „Kriegergedächtniskapelle“ ein. Anschließend weihte die Stadt Borken im Rahmen einer weltlichen Feier auf dem Friedhof am Butenwall für die dort ruhenden Gefallenen ein „Krieger-Ehrenmal“ ein.
Zu den Namenstafeln für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges kamen seit 1942 in der Kapelle kleine Gedenkkreuze für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges. Sie wurden für jeden gefallenen Soldaten aus der Gemeinde St. Remigius angefertigt und nach einem feierlichen Requiem in einer Prozession in die Kapelle getragen. Mit der Zerstörung bzw. Wegnahme der Kreuze entfiel zugleich der einzige Ort, an dem zumindest die Namen der Gefallenen öffentlich lesbar waren und gewürdigt wurden.
Das „Kriegerdenkmal“ im Stadtpark überstand das Bombardement des Zweiten Weltkrieges nahezu unversehrt. Seine äußere Gestalt überdauerte auch Versuche von Rat und Verwaltung zu einer Entfernung (1955) bzw. zu einer Umsetzung samt radikaler Umgestaltung im Rahmen eines Ehrenhains (1965). Im Jahr 2007 schließlich erfuhr es samt seinem Umfeld eine würdige Neugestaltung sowie eine veränderte Sinngebung als Gedenkstätte für alle Opfer von Krieg und Gewalt, aber auch als Mahnstätte für Versöhnung, Verständigung und Frieden.
Nicht vergessen werden dürfen zwei Gedenkstätten auf dem Borkener Friedhof: die schon genannte für Gefallene des Ersten Weltkrieges und ein in den 1950er Jahren angelegtes Gräberfeld für Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs in Borken ums Leben kamen. Letzteres wurde im Herbst 2018 neu gestaltet.
Rudolf Koormann, 2018
Borkener Wochenblatt v. 24. September 1898
Parade des Kriegervereins mit Blick zum Fotografen oben im Hotel Lück. (Aus: Helden, Krieger, Kameraden, S. 12).
Der Marktplatz um 1900 auf einer zeitgenössischen Postkarte.
(Sammlung Ewald Grewing)
Ehrenmal im „Volksgarten”
(Sammlung Ewald Grewing)
Borkener Zeitung v. 7. März 1933.
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