Vom langsamen Werden des Borkener Stadtparks
Wer heute durch den Borkener Stadtpark geht oder fährt, ahnt nichts von dessen Größe und Aussehen vor wenig mehr als 100 Jahren. Allenfalls können Postkarten und Katasterunterlagen eine ungefähre Vorstellung davon vermitteln.
Begrenzt von fließenden und stehenden Gewässern – Aa und Maibach bzw. Pand und Sengelgraben – entstand in den Jahren 1913 und 1914 an der Ostseite der Stadt eine kleine „Volksanlage“ mit Rasenflächen, Wegen, Blumenbeeten und Bäumen. Laut dem vorausgegangenen Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung am 29. April 1913 sollte sie ein Geschenk an Kaiser Wilhelm II. sein, der im Juni desselben Jahres sein 25-jähriges Thronjubiläum feierte.
Den allgemeinen Stolz über den neuen Park brachte in besonderem Maße das Borkener Wochenblatt zum Ausdruck, nachdem es im Vorfeld teils fordernd, teils mahnend lange auf Veränderungen des noch 1908 als „öde daliegendes Grundstück“ bezeichneten Areals „hingearbeitet“ hatte.
Schon 1897 war es aus dem Nachlass des verstorbenen Sanitätsrats Dr. Ebbing in das Eigentum der Stadt übergegangen: eine vor der Mauer liegende Wiese und das angrenzende Gewässer, der Sengelgraben. Als von Aa und Maibach her hochwassergefährdet, nutzte man die Wiese „seit jeher“ zum Mähen von Gras, das per Inserat zum Verkauf angeboten wurde.
Zusammen mit dem Pand als Wasserreservoir für die flussabwärts gelegene Mühle bereitete der Sengelgraben den Verantwortlichen der Stadt über Jahre hinweg Probleme, die vor allem in einer unangenehmen Geruchsbelästigung bestanden. Zudem missbrauchte die Bevölkerung beide gern zum Entsorgen von Schutt, der mit großem Aufwand wieder entfernt werden musste.
Der Bau einer Flussbadeanstalt in der Aa (1899) war der erste Schritt zur Erschließung des Geländes. Ihm folgten 1913/1914 ein Weg über den Sengelgraben als fußläufige Verbindung von der Heidener Straße zum Papendiek und fast zeitgleich der oben genannte Park.
Mit dessen Gestaltung ging eine erste Verlegung des Maibachs einher, den man an seiner ursprünglichen Mündungsstelle von der Aa trennte und in den Sengelgraben umleitete. Indem man diesen an seinem nördlichen Ende durch einen schmalen Abfluss wieder mit der Aa verband, entstand ein Fließgewässer, das die Probleme der zurückliegenden Jahre zum Großteil behob.
Aus der Butenstadt führte ein Weg in die neue Grünanlage, der sich zwischen dem Zufluss der Wasserstiege in die Aa und der Flussbadeanstalt teilte. Beide Wege kreuzten wenig später den neuen Sengelgrabenweg, und fanden am südlichen Ende des Geländes wieder zueinander. Ein weiterer Zugang bestand über den Weg vom Vennetor her, der unterhalb der Boltenhofmauer und am Stadtgraben vor dem Krankenhaus herführte.
Repräsentatives Kernstück der Anlage jedoch war von Anfang an der Abschnitt des Sengelgrabenweges zwischen zwei eigens errichteten Brücken. Ihn säumten zu beiden Seiten Ruhezonen mit Blumenbeeten und Bänken. Auf zeitgenössischen Postkarten ist zu sehen, dass sie durch „Rasenschutzgeländer“ vom Weg getrennt waren und z.T. tiefer lagen als der Weg, den ja man eigens hatte aufschütten lassen.
Während der 1920- und 1930-er Jahre wuchs der „Lunapark“, wie der Volksmund ihn in Anlehnung an das weitaus größere Pendant in Berlin und zum Ärger von Bürgermeister Müller schon bald nach seiner Fertigstellung nannte, über seine bescheidenen Anfänge hinaus. Erweiterungen nach Süden, begleitet vom Aufschütten eines „Heidehügels“ und von der Errichtung eines Ehrenmals für die Gefallenen und Vermissten des I. Weltkrieges (1926) verdoppelten seine Grundfläche. Das Einbeziehen der nördlich gelegenen Fluren „Pollwiese“ und „Pollgarten“ (1934) sowie der Bau einer neuen Brücke zum Papendiek hin schufen eine Verbindung zur Innenstadt.
Hätte die Stadt 1926 ihren Plan einer weiträumigen Umgehungsstraße umgesetzt, vom Nordring über den Westring (heute Leo-Müller-Straße), den Südring (heute Windthorststraße), durch die Vennegärten, über Maibach und Aa hinweg bis zur Heidener Straße, wäre der Park in seiner ursprünglichen Größe geblieben. Es kam aber anders, d.h. die Umgehungsstraße wurde als finanziellen Gründen nicht gebaut, und der Park konnte sich noch entwickeln.
Die Hinzunahme des südlich angrenzenden Areals (Festplatz, Vogelgehege, Sportplatz) während der 1950-er und 1960-er Jahre gab ihm seine heutige Größe. Sie brachte zudem eine erneute Flussbettverlegung des Maibachs mit sich, der nun – statt wie bisher durch den Sengelgraben – durch das ehemalige Pand auf die städtische Mühle zufloss.
Durch Zuschütten verschwanden der Sengelgraben und letzte Reste des Stadtgrabens. Das Pand ist allenfalls noch im Verlauf des Döringbaches, wie der Maibach heute heißt, zwischen dem Wedemhoveturm („Künstlers Turm“) und dem Haus Amsbeck am Papendiek zu erahnen.
Die damals „festgezurrten Grenzen“, die Aa (der Engelradingbach) im Osten und der Döringbach im Westen, die an der Nordspitze des Stadtparks zusammenfließen, sowie die Umflut im äußersten Süden sind im wahrsten Sinne des Wortes fließend. Sie erzeugen den Charakter einer Insel, engen das Gelände aber keineswegs ein, sondern öffnen es über mittlerweile neun Brücken zur Stadt hin und in das grüne Umland, für Fußgänger wie für Radfahrer.
Im Inneren des Stadtparks hat es immer wieder „kosmetische“ Veränderungen gegeben wie das spätere Einebnen des „Heidelhügels“ hinter dem Ehrenmal, das Einbeziehen von Blumenbeeten in die Rasenflächen oder die Anlage eines großzügigen Spielplatzes. Der Park widerstand aber mehrfach Plänen, mit denen die Verkehrssituation in Borken „verbessert“ werden sollte („Stelzenstraße“, Tunnel). Zum Glück, denn dadurch hat er sich seine einzigartige Funktion als „grüne Lunge der Stadt“ erhalten.
Rudolf Koormann, Heimatverein Borken (März 2017)
Das Foto zeigt den Zustand des späteren Parkgeländes zwischen der Aa (Bildmitte hinter den Gärten an der Stöke) und dem Pand (re. Bildhälfte unterhalb von „Künstlers Turm“, der noch kein Kegeldach und keinen Treppenturm hatte) um 1900. Die genannten Gewässer und der dazwischen liegende Sengelgraben sind kaum auszumachen. Im Hintergrund das Krankenhaus, links davon die sogenannte Arningschanze, weiter re. das Türmchen der Johanneskirche. (Bild: Paul-Kranz-Archiv, Heimatverein Borken e.V.)
Die bei Anlage des Parks neu errichtete Brücke über den Sengelgraben. (Bild: Sammlung Ewald Grewing)
Von Anfang an der Kernbereich des Parks: Blumenbeete und Ruhebänke zu beiden Seiten des Sengelgrabenweges. (Bild: Sammlung Ewald Grewing)
Die 1934 gefertigte Brücke zum Papendiek hin, für die man „knorrig gewundenes Knüppelholz der deutschen Eiche“ verwendete, sorgte für eine Verbindung des Parks zur Innenstadt. (Bild: Stadtarchiv)