Eine spannende Lesung beim offenen Nachmittag
„Operation Libelle” – dieser Codename steht für eine einmalige, riskante und lebensgefährliche Operation der Bundeswehr im März 1997. Damals wurden 98 Personen aus 22 Nationen aus der albanischen Hauptstadt Tirana mit Hubschraubern der in Bosnien-Herzegowina stationierten deutschen Soldaten der SFOR-Truppen ausgeflogen. Die ganze Aktion unter ständigem Beschuss dauerte eine knappe halbe Stunde, dann waren alle Botschaftsflüchtlinge in Sicherheit.
Eine spannende Geschichtsstunde zu diesem Thema erlebten die Besucher des offenen Nachmittags des Heimatvereins Borken am Dienstag, 2. Oktober 2018. Zu verdanken hatten sie dieses Erlebnis Wolf-Dieter Wunderlich, der aus dem Buch „Deutschland dienen: Im Einsatz – Soldaten erzählen“ von Carsten Barth vorlas. Der ehemalige Oberstleutnant der Bundeswehr hatte auch den Mit-Autor Oliver Schaal nach Borken geholt. Das Kapitel „Schieß doch Junge, schieß!“ – illustriert durch Aufnahmen von CNN – führte den Besuchern sehr anschaulich vor Augen, welchen gefährlichen Einsatz deutsche Soldaten damals in Albanien zu bestehen hatten.
In Albanien war 1997 die staatliche Ordnung zusammengebrochen. Es kam zum sogenannten „Lotterieaufstand“. In Albanien lebende Deutsche und auch andere Ausländer waren durch die Unruhen gefährdet. Die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl und Verteidigungsminister Volker Rühe beschloss, die Menschen auszufliegen, die sich in die deutsche Botschaft in Tirana geflüchtet hatten. Für eine solche Operation gab es keinen Plan und kein Vorbild.
Beauftragt wurde der damalige Oberst und spätere Brigadegeneral Henning Glawitz. Er war in Bosnien-Herzegowina bei den SFOR-Truppen stationiert. Unterstützung durch die alliierten Kräfte war nicht möglich. Die deutschen Soldaten mussten schnell und allein handeln. Auf dem Flughafen Tirana wurden die deutschen Soldaten sofort unter Dauerbeschuss genommen. In dem Chaos dort war es kaum möglich, die Lage einzuordnen. Doch es gelang Henning Glawitz und seiner Truppe in einer knappen halben Stunde alle Botschaftsflüchtlinge nach Podgorica in Montenegro auszufliegen.
Oliver Schaal erzählte, was ihn als ehemaligen Wehrdienstverweigerer motiviert hat, ein Buch über Einsätze deutscher Soldaten zu mitzuschreiben. Er wollte ungeschönt, authentisch und aus erster Hand erzählen, was genau die Bundeswehr in vielen Krisengebieten der Welt macht. Wolf-Dieter Wunderlich erinnerte daran, dass Auslandseinsätze auch vom Standort Borken ausgegangen sind.
Dieser Nachmittag war auch Anlass, an die Geschichte der ehemaligen Hendrik-de-Wynen-Kaserne und die Verbundenheit der dortigen Soldaten mit der Stadt Borken zu erinnern. Die feierlichen Gelöbnisse auf dem Markt und die Ernennung bekannter Borkener Bürger zu Ehren-Kanonieren seien Beispiele für die Partnerschaft zwischen Truppe und Zivilgesellschaft.
Annemarie Berg
Oberstleutnant a.D. Wolf-Dieter Wunderlich erklärt die illustrierenden Bilder.
(Foto: Heimatverein Borken)