Das schwaotte Schwein
Schwarzschlachten in den Nachkriegsjahren
Schwarzschlachten in den Nachkriegsjahren
Wie fast alle Borkener versorgten wir uns so weit wie möglich selbst. Wir hatten einen großen Garten, ein Stück Land, Hühner, Gänse und Schweine. Wegen der staatlichen Bewirtschaftung der Lebensmittel musste man einmal im Jahr seinen Viehbestand angeben. Da wurde natürlich gemogelt. Es wurde immer weniger angegeben, als man in Wirklichkeit hatte. Wer über eine bestimmte Zahl von Vieh kam, musste nämlich eine Abgabe leisten.
Mein Vater hat bei der Viehzählung natürlich nur ein Schwein angegeben. Ein Schwein wurde offiziell und ein Schwein wurde „schwaott“ geschlachtet.
Beim Schwarzschlachten muss man nicht von der „Unna“ erwischt wurde. “Unna” wurden die Leute genannt, die für eine Kontrollbehörde arbeiteten, die, wie ich glaube, in der Stadt Unna ihren Sitz hatte. Wir Kinder mussten dann draußen aufpassen, ob „Unna underweggens is“, also in der Nähe war. Die waren nämlich mit einer alten Limousine unterwegs, die man schon von weitem hören konnte. Wenn die „Unna“ unterwegs war, wurde das zerlegte Schwein unten in den „Puggenpott“ (den Kochkessel für Schweinefutter) gelegt. Oben drüber kamen Kartoffeln, Kartoffelschalen, Rüben und Gemüseabfälle.
Das „schwaotte“ Schwein wurde nicht draußen geschlachtet und wie üblich draußen zum Auskühlen auf die Leiter gehängt, sondern abends, wenn es dunkel wurde, in der Waschküche heimlich um die Ecke gebracht. Wenn das ausgeblutete Schwein in einer Zinkwanne „abgeschrappt“, also von den Borsten befreit war, wurde es von meinem Vater und meinem älteren Bruder in die enge, niedrige Küche getragen. Mein Vater stieg auf den Küchentisch und hielt das Schwein an den Hinterbeinen fest. Dabei musste er aufpassen, dass er sich nicht den Kopf an der niedrigen Küchendecke stieß.
Mein Bruder hat dann das Schwein fachmännisch zerlegt. Anschließend wurde es zu Würsten, Schinken, Pökelfleisch, Blutkuchen und Panhas verarbeitet.
Gertrud Huvers
(Quelle: Borkener Kochbuch – „Erlebte Rezepte“. Herausgegeben von Heinz Eming. 4. Auflage 2015)