Johann Buckstegge (1852-1918)
Schneidermeister, „Multitalent“ und Borkener Original
Schneidermeister, „Multitalent“ und Borkener Original
Obwohl er kein „Paohlbörger“, ja nicht einmal in Borken geboren war, kam Johann Buckstegge irgendwann doch „dazwischen“. Das hatte er zunächst seinem (Schneider-)Handwerk zu verdanken, auf das er sich im wahrsten Sinne meisterlich verstand, so dass man seine Arbeit einmal sogar für die „des besten Münsterischen Schneiders“ hielt.
Dabei hatte er gar nicht den üblichen Werdegang eines Schneidermeisters absolviert. Er war drei Jahre lang bei einem Bauernschneider in die Lehre gegangen, dann als Geselle auf der Walz gewesen und hatte schließlich die „Schneider-Akademie“ in Dresden besucht.
Über sein handwerkliches Geschick hinaus aber war er, um es mit einer heutigen Vokabel zu sagen, ein Multitalent, „Professor für alle Fragen, Redakteur der Heimatzeitung, sprechendes Lexikon, Güter-, Häuser- und Geldmakler, Agent für Versicherungen, Auskünfte und Heiraten, Rechtsanwalt, Volksredner, Helfer in allen Lebenslagen …“ So beschrieb ihn die Borkener Zeitung am 29. Oktober 1918 in einem Nachruf für ihren vier Tage zuvor verstorbenen Mitarbeiter.
Jeder in Borken und Umgebung kannte Johann Buckstegge, 1852 in Hervest geboren, spätestens seit dem Jahr 1874 in Borken ansässig und später lange an der Klümperstraße Nr. 250 wohnhaft.
Zu Buckstegges Haus an der Klümperstraße 250…
Als Schneidermeister gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Borkener Innung, stand sogar viele Jahre an deren Spitze. Er war Mitbegründer des Altertumsvereins (1890) und Mitglied des Schützenvereins; 1910 zählte er zu den „inaktiven Mitgliedern“ des Männergesangvereins 1860.
Jeder sprach über Johann Buckstegge und das, was er von sich gab bei den allabendlichen Besuchen in einer der renommierten Borkener Gaststätten. Dort saß er vor einem Glas Bier, das für einen ganzen Abend reichte (!), und hörte zu. Deshalb wusste er Bescheid über das, was damals in Borken so vor sich ging.
Viele waren seine Kunden, viele suchten bei ihm Rat, selbst dann, wenn es vorab von anderer Seite schon geheißen hatte: „Ich weiß es nicht, aber Buck; der weiß es zwar auch nicht, aber er wird es Ihnen sagen.“ So antwortete der „Sternengucker“ Dr. Schmidt seinerzeit „auf eine heikle Frage“.
„Buck“, so nannten ihn alle, und unter diesem Namen setzte Ludwig Walters dem Borkener Original, das wegen seines langen wallenden Haares dem norwegischen Dichter Henrik Ibsen ähnlich sah, im Heimatkalender von 1927 in plattdeutscher Sprache ein literarisches Denkmal. Darin hielt er Anekdoten und Aussprüche fest, die man sich zu Beginn der 1950er Jahre noch gern erzählte.
Berühmt waren Buckstegges fantasievollen Beiträge zum 1. April, die er als eifriger Mitarbeiter des Borkener Wochenblattes an geeigneter Stelle unterzubringen wusste. Etwa die Ankündigung eines Aufsehen erregenden Flugmanövers (1900), mit der er zahlreiche Neugierige auf den Lünsberg lockte – und verärgerte, oder die Meldung über die Sprengung der Heidener Räuberhöhle (1912), deren „Echtheit“ er durch den Abdruck von zwei „Blitzlichtphotographieklischess“ im Anzeigenteil „belegte“.
Seinem Sohn Leo, der wie die jüngere Schwester Luise, verheiratete Schweers, in die beruflichen Fußstapfen des Vaters trat, schenkte Johann Buckstegge anlässlich der bestandenen Gesellenprüfung eine Schneiderschere. Das schwergewichtige (697 Gramm!) und für den Laien unhandliche Stück war bislang im Eigentum seiner Enkeltochter Maria Trinks, geborene Buckstegge, und gehört jetzt zum Fundus des Borkener Heimatvereins.
Rudolf Koormann (2018)
Johann Buckstegge (BZ, 13.4.1985/Privat)
E. Lirpa alias Johann Buckstegge lädt als „Erfinder” zum „1. d. Mts.” (1. April) ein … (aus: Borkener Wochenblatt, Samstag, 31. März 1900)
Die Schere (697 Gramm Gewicht), die Schneidermeister Johann Buckstegge seinem Sohn Leo anlässlich dessen bestandener Gesellenprüfung schenkte.
(Foto: BZ/M. Schönherr)